Die COVID-19-Krise offenbart eine beängstigende Ratlosigkeit der Regierung gegenüber den Ein-Personen-Unternehmen und zeigt, dass EPUs etwas sind, was in ihrer Welt einfach nicht wirklich vorkommt. Dabei schraubt sie ja tapfer an allen Ecken: Man will Arbeitsplätze bewahren und in Zeiten fehlender Einnahmen Liquidität sichern, also stundet man Zahlungen. Man pumpt Geld in Kurzarbeitslösungen und sichert Hilfe in Härtefällen zu.
Behandelt wie Almosenempfänger_innen
Für Selbstständige und kleine Unternehmen sind das aber besonders schlechte Zeiten, denn EPUs jonglieren eben nicht mit Krediten, die gestundet werden könnten. Ein-Personen-Unternehmen haben auch, wie der Name schon sagt, keine Scharen von Angestellten, deren Kosten man jetzt auf andere abwälzen könnte. Kleinen Unternehmen und Selbstständigen gegenüber herrscht also riesige Ratlosigkeit – offenbar hat niemand einen Plan, wo einzugreifen wäre. Kleine Unternehmen fühlen sich wie Bettler_innen und Almosenempfänger _innen: Bei einem Umsatzrückgang von 50 bis 75 Prozent sind Mietzuschüsse von ein paar hundert Euro vorgesehen, bei Umsatzrückgängen von mehr als 75 Prozent gibt es direkte Zuschüsse von bis zu 1000 Euro.
Wenn diese bis zu 1.000 Euro Zuschuss dann 75 Prozent des Umsatzes ersetzen sollen, geht man also von Monatsumsätzen in der Höhe von 1300 Euro für kleine Unternehmen aus – davon kann man in normalen Zeiten nicht einmal die Sozialversicherung bezahlen. Außerdem wird der Nachweis des Umsatzrückgangs im Vergleich einzelner Monate mit den Vorjahresmonaten verlangt, also März 2020 mit März 2019. Das ist vielleicht für Cafés, Boutiquen und ähnliche Unternehmen möglich, die Kreativwirtschaft und alle anderen projektbezogen arbeitenden Branchen, in denen sich Einnahmen unregelmäßig über sehr lange Zeiträume verteilen, schauen dabei durch die Finger. Gerade in diesen Branchen spürt man die Einschnitte vielleicht erst später, dafür aber länger, denn die Projekte liegen nun auf Eis. In ein paar Monaten werden Kundinnen und Kunden hoffentlich wieder arbeiten, sie werden neue Prioritäten setzen und über neue Projekte nachdenken. Bis aber Entscheidungen getroffen werden, bis Budgets neu zugeteilt sind und bis Aufträge vergeben werden, wird es Herbst sein – und die Projekte häufig dann auch erst im Frühjahr 2021 abgerechnet. Ein Jahr ohne Einnahmen muss man finanziell erst einmal durchstehen!
Stundungen als Marketingschmäh
Es mutet auch seltsam an, welche anderen Maßnahmen als Zeichen politischer Entscheidungskraft verkauft werden: So sollen Unternehmer_innen ihre Beiträge zur Sozialversicherung und die Einkommensteuervorauszahlungen herabsetzen lassen. Das ist immer möglich, dazu braucht es keine Virus-Krise. Alle, deren Einkommen sich verändert, können ihre Zahlungen anpassen lassen. Immer schon.
Gerade für Branchen mit stark schwankendem Einkommen ist diese Möglichkeit der Anpassung essenziell. Unternehmer_innen müssen aber aufpassen, weil sie oft auch zur Schuldenfalle wird und es lange dauert, bis neue Bescheide ausgestellt sind, Fälligkeiten werden oft nicht klar kommuniziert und man muss sich selber ausrechnen, wann welche Zahlungen anfallen werden. Bei der Einkommensteuer ist das noch etwas transparenter; Vorschreibungen zur Sozialversicherung dagegen werden sehr verwirrend.
Generelle Ratlosigkeit
Grotesk ist auch, dass Politik und Wirtschaftskammer das mögliche Aussetzen von Mietzahlungen als Erfolg feiern. Auch dazu braucht es keine Virus-Krise, für unbenutzbare Mietobjekte muss keine Miete gezahlt werden – das steht so im Gesetz. Hinzukommt, dass ausgesetzte Mietzahlungen das wirtschaftliche Problem ja nur verschieben, aber nicht lösen. Mieterinnen und Mietern nützt das, Vermieterinnen und Vermietern schadet es – und auch die sind auf Umsätze angewiesen, um Gehälter zu bezahlen und Mitarbeiter_innen behalten zu können.
Wenn sich also in der Krise bei der Regierung etwas offenbart, dann ist es kein Blick in die Zukunft, es ist nicht die Notwendigkeit neuer Visionen, Gesellschaftsentwürfe oder Wirtschaftskonzepte. Es ist eine generelle Ratlosigkeit und eine Verständnislosigkeit gegenüber dem, was ein EPU ist.
Einige Feststellungen und meine Prognose
Erstens: Kleine Unternehmen und Ein-Personen-Unternehmen werden bei den Hilfsaktionen weitgehend leer ausgehen. Das liegt zum Teil daran, dass die bisher vorgestellten Maßnahmen zu unkonkret sind, um Orientierung zu geben, und zugleich zu spezifisch, um vielen zu helfen.Zum größeren Teil wird es aber daran liegen, dass EPUs es sich nicht leisten können, auf Hilfe zu warten. Sie müssen sich etwas anderes überlegen, sich neu orientieren
Zweitens: Unterschiedliche Selbstbilder von Selbstständigen werden noch unterschiedlicher werden. Manche – vor allem in der Kreativbranche – sehen sich als ewig unterbezahlte, sich selbst ausbeutende Abhängige, die schlecht behandelt werden. Andere sehen sich als Generalunternehmer_innen, die auch Aufträge und Geld verteilen und die, wenn sie schon arbeiten, dann lieber Projekte machen, die auch Geld bringen.
Die einen wollen Absicherung, die anderen wollen Spielraum. Die einen sehen ein Grundeinkommen als Freiheit und Möglichkeit, sich mit eigenen Themen zu beschäftigen, die anderen sehen es eher als bürokratischen Aufwand, der Steuer und Buchhaltung komplizierter macht. Beide Gruppen aber brauchen Planungs- und Entscheidungssicherheit – und die fällt jetzt für einige Zeit weg.
Legitime Organisations- und Arbeitsform
Kleinen Unternehmen und Ein-Personen-Unternehmen haben noch einen langen Weg vor sich, um ihre Interessen zu formulieren und öffentlichkeitswirksam ihre Forderungen zu äußern. Sie sind keine Arbeitsplatzmaschinen und nehmen nicht an Startup-Rallyes teil, sie sind einfach ein Weg, in einer sehr dynamischen Umwelt geschäftlich zu überleben. Sie sind oft das Vehikel für Menschen, die einfach ihr Ding machen wollen – ohne an einer großen Organisation andocken zu müssen, ohne den Ballast von großem Wachstumszwang. Und: EPUs sind KEIN Zwischenstadium, sie sind nicht die unterste Entwicklungsstufe, die es auf dem Weg zu Wachstum und Angestellten zu überwinden gilt.
EPUs sind eine legitime Organisations- und Arbeitsform. Und sie haben Fragen. Ich versuche, diese zu beantworten.