Franz Schellhorn, Direktor von Agenda Austria, kommentiert im Nachrichtenmagazin Profil, weshalb NEOS gar nicht so liberal wären und jubelt mir dabei ein Zitat unter: „Erst unlängst warnte eine Nationalratsabgeordnete der NEOS vor der “Verkommerzialisierung” der Wiener Gassen. Die Bewohner der Bundeshauptstadt bräuchten so etwas wie Ruheräume. Ruhe vor Geschäften wohlgemerkt, denn allein deren Vorhandensein verführe die Menschen zum Einkaufen.“
Er spielt dabei auf eine Twitter-Debatte vor einigen Wochen an, in der es um den öffentlichen Raum ging, und legt mir Worte in den Mund, die so nie gesagt wurden.
Angstraum der Konservativen
Dabei offenbart sich Schellhorns erstaunlich konservative Sichtweise. Denn für die Konservativen ist der öffentliche Raum eine wuchernde Gegend, die es zu kontrollieren und daher zu regulieren gilt. Und dies tut man am besten, indem man Verbote erlässt, möglichst viel Raum kommerzialisiert und alles elektronisch überwacht.
Sie ignorieren dabei, dass es ein Grundbedürfnis der Menschen ist, eine Beziehung zu ihrer Umgebung herzustellen. Um eine Beziehung herzustellen, muss ich mich identifizieren, und Identifikation entsteht, wenn Bürger mitreden, mitentscheiden und mitgestalten können. Es ist nicht sehr überraschend, dass wir NEOS Bürgerbeteiligung von Anfang an gefordert haben.
Kampfzone öffentlicher Raum
Besonders umkämpft ist dabei der „Dritte Raum“, wie der öffentliche Raum zwischen Häusern genannt wird. Hier treffen viele Interessen auf immer weniger Platz: Parkplätze und Radabstellanlagen, Elektrokästen, Litfaßsäulen und Citylights, Container für Altkleider, Glas und Metall, Spender für Wasser, Gacki-Sackerl und Zeitungen, Telefonzellen – die Straßen und Gassen sind oft konzeptlos zugeramscht. Inseln in diesem Chaos sind hier die Schanigärten. Für mich kann es gar nicht genug davon geben! Ich würde es auch sehr begrüßen, wenn Händler ihre Ware viel einfacher vor ihren Geschäftslokalen anbieten könnten. Das macht die Straßen bunt, kommunikativ und hebt den Umsatz. Ich möchte aber auch, dass Menschen sich einfach irgendwo niederlassen können und ein Bankerl vorfinden, ohne dabei zwingend etwas kaufen zu müssen.
Igitt, konsumfreie Zonen!
Die Twitter-Debatte hängte sich genau daran auf: An den „Konsumfreien Zonen“, einem unsympathischen Terminus technicus, der nach DDR und Klassenkampf mieft, aber nun einmal öffentliche Parks und Plätze mit ihren Sitzgelegenheiten meint.
Wer befindet, dass es nicht liberal wäre, den Bürgerinnen und Bürgern ein steuergeldfinanziertes Sitzbankerl anzubieten, hat NEOS und unser Menschenbild grundsätzlich missverstanden:
Wir möchten, dass sich die Menschen in ihrer Stadt im öffentlichen Raum aufhalten dürfen. Dieser gehört uns allen. Um sich dort aufhalten zu können, braucht es Möblierung. Und diese Möblierung soll wiederum nicht menschenfeindlich sein, keinen Obdachlosen daran hindern, sich hinzulegen, nicht so gebaut sein, dass ältere Menschen nicht mehr aufstehen können oder planlos neben einem Müllcontainer platziert sein.
Ob die Menschen dann dort ein Buch lesen (Steuergeld!), einen To go-Kaffee vom Bäcker trinken (wirtschaftsstimulierend!), ihr Handy-Guthaben versurfen (Katsching!) oder einfach nur der Stadt beim Sein zusehen, ist uns herzlich egal.
Gesperrte Bundesgärten
Wie wichtig diese Orte als Ausweich- und Ergänzungsraum sind, wurde im ersten Lockdown besonders bewusst: Das Benutzen von Kinderspielplätzen war untersagt. Die türkis-grüne Regierung beschloss überdies, den Menschen in Wien besonders auf die Nerven zu gehen, und sperrte die Bundesgärten zu. Glücklich war, wer über einen eigenen Garten verfügte oder am Stadtrand lebt und sich unkompliziert im Wienerwald auslüften konnte.
Freiheit darf aber nicht nur eine Sache für Reiche sein. Und deshalb ist ein Bankerl nicht nur eine kleine Freiheit, sondern auch eine liberale Angelegenheit für die sich ein zweiter Gedanke lohnt.