Twitter hat Fragen – und hier sind die Antworten:
Vor wenigen Tagen habe ich im Profil einen Kommentar veröffentlicht, der viel Wellen geschlagen hat. Du kannst ihn hier nachlesen. Seither wird viel über den ORF, seine Rolle und Funktionen debattiert. Das ist gut so – und war auch dringend notwendig. In den sozialen Medien wurden aber auch eine Menge Fragen aufgeworfen. Diese beantworte ich hier – tbc.
Was wäre die Alternative? ATV ? Servus TV ? Oder die ganzen Sender mit allen 10 Minuten Werbung? Ich glaub es gibt andere Probleme in der Medienlandschaft zu lösen. Lieber ORF mit GIS als Wegscheider mit Verschwörungstheorien.
Der ORF als Fernseh- und Radiosender wäre von einer Neuausrichtung der Blauen Seite nicht betroffen. Die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Informationen via audiovisueller Medien ist ja Auftrag des ORF und bliebe natürlich erhalten.
Eine Reduktion des Umfanges der Blauen Seite hilft aber dabei, Qualitätsmedien wachsen zu lassen.
Ich bin an einem Ausbau der Marktmacht reaktionärer Verlegerfamilien a la Murdoch nicht interessiert. Der ORF muss in seiner Unabhängigkeit gestärkt werden und darf nicht noch mehr von Regierungsparteien abhängig werden.
Vorweg: Eine Neuorganisation der ORF-Finanzierung – etwa durch eine Haushaltsabgabe, keinesfalls aber durch ein politisch gesteuertes Budget – ist notwendig. Ich habe die wichtigsten Punkte hier zusammengefasst.
Zweitens: Derzeit werden Medien wie die des Red Bull Media House und Servus TV oder auch politisch motivierte Skandalisierungsblogs bis zu rund 90 Prozent von ihren Eigentümern querfinanziert – und nicht von Leser:innen oder Werbekund:innen. Wer dieses Kapital nicht mitbringt, der kann nicht wachsen. Der österreichische Markt ist schlicht zu klein und gibt deshalb zu wenig her. Wenn dann ein mittels GIS-Gebühren bestens finanzierter ORF weitere potentielle Leser:innen und Werbekund:innen absaugt, wird es sehr, sehr eng für Printmedien und ihre digitalen Nachrichtenseiten.
Deshalb wäre eine Einschränkung der Blauen Seite also ein sehr wirksames Mittel gegen Ihre Befürchtungen.
Wer will schon rein werbefinanzierte Radio & TV Programme, die noch dazu nicht objektiv sein können!
Der ORF erhält 650 Mio Euro pro Jahr an Gebührengeldern, macht weitere 172 Mio Euro Umsatz mit Lizenzen etc – und nimmt über Werbung 200 Mio Euro ein. Auch der ORF ist also zum Teil werbefinanziert. Jede Zeitung und Zeitschrift in Österreich ist zum (oft großen) Teil werbefinanziert. Zahlreiche ausgezeichnete Nachrichtensender sind werbefinanziert. Werbung zu verkaufen, bedeutet nicht automatisch unkritische, schlechte Berichterstattung.
Sie bieten aber halt auch jedem Kellernazi die Gelegenheit seine Botschaft an unendlich viele Menschen zu richten. Öffentlich-Rechtliche Medien europäischer Prägung können, trotz all ihrer Unzulänglichkeiten mit Journalismus, mit Faktenchecks, mit Objektivität dagegenhalten.
Öffentlich-Rechtliche sind wichtige Partner bei der Bekämpfung von Fake News. Wenn jedoch nur mehr der ORF Relevanz und Marktmacht hat, dann kann die Politik besonders gut durchgreifen und sich mediale Unterstützung sichern. Wie das weitergeht, sieht man derzeit bei europäischen Nachbarn, wie Ungarn oder Polen.
Private Medien können sich jederzeit entscheiden, wegen der Überzeugungen der Eigentümer oder weil es wirtschaftlich mehr Sinn macht, mehr auf Klicks abzustellen als auf die Wahrheit, einen anderen Kurs zu fahren und fortan in neuer Form weiterzumachen.
Das trifft auch auf öffentlich-rechtliche Medien zu, deren Aufsichtsrat in Österreich parteipolitisch besetzt ist. Der ORF wird außerdem durch eine Einschränkung der Blauen Seite nicht abgeschafft, sondern angehalten, den Onlinemarkt nicht zu erdrücken – um das Wachstum anderer, qualitätsorientierter Medien zuzulassen.
Will man heute einem erfolgreichen Medienunternehmen, gleichgültig welchem, den Onlineauftritt verwehren, ist das als ob man einem Autohersteller sagen würde: Du darfst zwar Autos bauen aber keine elektrischen. Digitalisierung findet statt, trotz aller Initiativen der Regierung.
Niemand verwehrt dem ORF einen Onlineauftritt zur Vermarktung seiner Produkte, zum digitalen Ausspielen von Radio- und Fernsehinhalten, zu Zwecken des Employer Branding oder zur Kommunikation mit seinen Kund:innen. Die Blaue Seite in ihrer heutigen Form ist allerdings ein zusätzliches eigenständiges Produkt, das wenig mit dem eigentlichen Auftrag des ORF – der Versorgung der Bevölkerung mit Radio- und Fernsehenprogrammen – zu tun hat.
Im Gegenteil: Die Radio- und Fernsehbezogenen Onlineaktivitäten des ORF sollen demnächst deutlich ausgebaut werden, etwa durch Abschaffung der 7-Tages-Schranke.
NEOS möchten, dass Menschen nichts kriegen für ihr Geld? Kein öffentliches Geld, keine Monopole? Dann schaut mal in die USA und lasst Fox News ganz lieb von mir grüßen!
Ich möchte, dass die Bürgerinnen und Bürger öffentlich-rechtliche Fernseh- und Radiosender bekommen – und dazu einen Onlinemedienmarkt, der zahlreichen weiteren Medien von Qualität bis Boulevard Chancen einräumt.
Öffentlich-Rechtliche können, trotz all ihrer Mängel und Unzulänglichkeiten, ein Bollwerk gegen die Flut des Unsinns sein. Ob es letztlich hoch genug gewesen sein wird, ist aus meiner Sicht noch nicht entschieden. Voraussetzung dafür, dass das gelingt, sind im Übrigen reichweitenstarke Programme.
Der ORF ist bei weitem nicht das einzige Qualitätsmedium in Österreich und er ist auch nicht der einzige Hort der Vernunft. Eine kleine Einschränkung für den ORF (bei der Blauen Seite) berührt dessen Fernseh- und Radioaktivitäten nicht und bietet für alle anderen Onlinemedien deutlich mehr und neue Entfaltungsmöglichkeiten.
Eine rein private Medienlandschaft hätte die Kurz-Partie mit Message Control, Presseförderung und Inseratenverteilung bis auf wenige Ausnahmen widerstandslos eingesackelt.
Umso wichtiger ist es, privaten Medien auf dem Leser- und Anzeigenmarkt faire Chancen einzuräumen. Eine Reduktion der öffentlichen Inserate fordern wir im Übrigen schon lange, ebenso wie eine Neuaufstellung der Presseförderung, die Qualität ins Zentrum rückt.
Und: Auch der ORF ist oft massivem politischem Einfluss ausgesetzt – diesen zurückzudrängen und die Gremien neu zu gestalten, haben wir ebenfalls auf dem Plan.
Die Idee ist medienpolitisch sehr brisant. Gerade jene, die einkommensschwach sind und von der GIS befreit sind, werden nicht Abos kaufen, sondern eben andere gratis Angebote nutzen, deren Qualität mitunter fragwürdig ist.
Das ist eine gewagte Ansage. Noch gibt es durchaus kostenlos zugängliche Qualitätsmedien. Allerdings wäre auch dieses Thema leicht zu lösen: GIS-befreite Personen etwa können mit Gutscheinen für Digitalmedienabos ihrer Wahl unterstützt werden. Somit könnten sich die Bürgerinnen und Bürger selbst aussuchen, welche Medien ihren Interessen und Überzeugungen entsprechen.
Bevor Sie das Abdrehen von orf.at fordern, sollten Sie ev. fordern, dass Gratis-FakeNews-Schundblätter aus Öffi-Stationen im rotpinken Wien verschwinden und eine erhöhte Presseförderung echte Qualitätsmedien statt Boulevard und (Quasi)Parteimedien fördert.
Medienpolitik ist nicht eindimensional. Eine Neugestaltung der Presseförderung (in Verbindung mit Qualitätskriterien) und eine Reduktion des Inseratenvolumens der öffentlichen Hand sind wichtige Themen auf meiner Agenda.
In Österreich bringt – außer orf.at – kein Medium ein vernünftiges Angebot zusammenbringt. Bisher hat sich niemand ein innovatives Konzept entwickelt und darum bemüht.
Das ist Ihr persönliches Urteil. Es gibt zahlreiche, exzellent Digitalmedien – allerdings keines, das auf ein so großes Archiv aus Fernsehen und Radio zurückgreifen kann. Dieser Vorteil dürfte ein Grund für Ihre Einschätzung sein.
Ganz im Ernst: Sie wollen die wichtigste Nachrichtenseite des Landes abschaffen? Das ist Wahnsinn!
Ich will Meinungspluralismus und Medienvielfalt. Deshalb möchte ich, dass viele Nachrichtenseiten entstehen und wachsen können.
Ich verstehe Ihr Argument noch nicht ganz. Im Gastkommentar schreiben Sie, dass die Blauen Seiten gute, kompakte Infos liefern und eine super Sache für die User sind. Was ist jetzt das Argument dagegen, außer “keine Monopole”?
Monopole haben negative Auswirkungen für alle – außer den Monopolisten. Unter anderem behindern Monopole Wachstum und Innovation – gerade auch von Qualitätsmedien. Die Blaue Seite ist eine Qualitäts-Nachrichtenseite – ich will aber, dass viele Qualitäts-Nachrichtenseiten entstehen und erfolgreich sein können.
Die Blaue Seite des #ORF ist eine Landing Page, der logische Ein/Ausgang für die Verlinkung längerer Artikel oder sonstiger journalistischer Angebote (die nicht textlastig sein müssen/sollen). DAS könnten die Privaten ev. mit vereinten Kräften seit Jahren haben, wenn… Ja, wenn.
Ja, das könnten die Privaten wohl, WENN auch sie Zugriff auf ein riesiges, öffentlich finanziertes Repertoire an Radio- und Fernsehcontent hätten und daraus mit geringen Mehrkosten ein zusätzliches Produkt machen könnten. Diese Möglichkeit haben sie aber nicht und genau das ist das Problem.
Um das nochmal zu verdeutlichen: ein Netz-Angebot dieser Art ist die wichtigste und attraktivste Auslage für das eigene Angebot. Das hat vor mehr als 25 Jahren jemand im ORF erkannt – soweit ich weiß: Franz Manola -, etwas später auch “Der Standard”, alle anderen haben geschlafen
Das stimmt. Die Rahmenbedingungen passen allerdings nicht mehr dazu. 1998 war online ein zusätzliches Nischenprodukt, heute geht es für viele Medien auf diesem Markt ums Überleben. Für den ORF nicht – denn dieser wird auf anderen Wegen und gut abgesichert finanziert. Diese online zweitvermarkteten, aber öffentlich finanzierten Inhalte verschaffen dem ORF einen Startvorteil, der langfristig der digitalen Medienvielfalt schadet.
Sie vernachlässigen die ORF Mediennutzer:innen als wichtige Stakeholder. Ohne deren Interessen kann diese Diskussion nicht geführt werden. Es kann nicht nur um die Interessen privater Medienhäuser gehen. Und durch Abdrehen von ORF at entsteht keine Medienvielfalt.
Medienpolitik ist ein sehr breites Themengebiet, auf dem es keine eindimensionalen Lösungen gibt. Eine breite und vielfältige Medienlandschaft ist im Interesse aller Mediennutzer:innen.
Mehr Schund, Gschichtl & Prekariat braucht die Medienlandschaft nicht. Und ohne ORF bliebe derzeit überproportional davon.
Das ist eine gewagte These, angesichts von Presse, Standard, Salzburger Nachrichten, Puls24 usw. Überdies geht es nicht um eine Abschaffung des ORF, sondern um eine Neuausrichtung der Blauen Seite. Die Substanz des ORF als öffentlich-rechtlicher Fernseh- und Radiosender bliebe unangetastet.
Fangen wir mit dem Medienförderungsast an, ohne gleich am Baum zu sägen. – Warum werden oft abgestrafte Medien wie „Österreich“ so stark unterstützt? – Wo sind Mechanismen, die unabhängigen, qualitativen Journalismus fördern? Das würde auch ernste Konkurrenz für ORF bringen.
Eine neu ausgerichtete Medienförderung, die Qualitätskriterien einbezieht und starke Schwerpunkte auf Digitalmedien legt, gehört zu meinen zentralen Themen. Im übrigen bei gleichzeitiger Reduktion der Inserate der öffentlichen Hand und der Einschränkung des politischen Einflusses im ORF.
Den ORF zu privatisieren oder den Privaten zu opfern, lehne ich halt ab, weil ich eine Dominanz von Krone, Fellner oder Springer und eine Einfallstor für geopolitische Interessen nicht zulassen möchte.
Richtig. Deshalb geht es auch nicht um eine Privatisierung des ORF, sondern um eine Neuausrichtung der Blauen Seite, die dazu beiträgt, noch bessere Chancen für noch mehr digitale Qualitätsmedien zu schaffen.
Können wir bitte einen Moment innehalten und feststellen, was für ein Wahnsinn es wäre, http://orf.at abzudrehen? In einer Zeit, in der wir links und rechts Leute ihn ihre eigenen altFact-Welten verlieren?
Ihr Gedanke in allen Ehren, aber wenn orf.at die Wunderwaffe gegen altfacts wäre, dann hätten wir das von Ihnen beschriebene Problem nicht. Insofern dreht sich Ihr Argument im Kreis.
Der ORF ist der einzige Garant für Qualität!
Der ORF liefert viel guten Inhalt. Ob jedoch Horoskop-Sendungen, Beteiligungen an Lotto-Toto, stundenlange Wiederholungen von US-Sitcom aus den Nuller-Jahren uvm Qualität sind und dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprechen, wage ich zu bezweifeln. Das ist aber auch eine andere Debatte.