Party on, ORF!

Rundfunkgebühren erhöhen und dann den Kundenstamm erweitern? Party on, ORF – aber ohne uns!

Gebührenerhöhung und Kundenstamm erweitern? Party on – aber ohne uns!

Die türkis-grüne Bundesregierung feiert sich gerade für ihre Steuerreform – und niemand weiß genau, weshalb eigentlich. Die kalte Progression wurde nicht abgeschafft, die Klimaziele sind unambitioniert, dafür wurde Stadt gegen Land ausgespielt. Zu allem Überfluss beantragen der scheidende und der zukünftige Generaldirektor des ORF gemeinsam eine kräftige Gebührenerhöhung. Wrabetz und Weißmann wollen jetzt eine Erhöhung um 8 Prozent – und dann eine Erweiterung des Kundenstammes – also doppelt kassieren. Aber der Reihe nach:

Kassasturz

Der ORF hat ein jährliches Budget von über 1 Milliarde Euro. Den größten Anteil haben die Rundfunkgebühren mit etwas über 644 Millionen Euro, gefolgt von Werbeeinnahmen in der Höhe von 220 Millionen Euro. Sonstige Umsätze, wie Lizenzen, bringen weitere 190 Millionen. Was mit diesem Budget passiert, wofür die Gelder ausgegeben werden, ist Verschlusssache, denn eine transparente Veröffentlichung der Zahlen gibt es seitens des ORF nicht. Klar ist aber: Mit diesen Summen steht dem ORF steht derzeit deutlich mehr Geld zur Verfügung als er braucht, um seinen öffentlich-rechtlichen Kernauftrag zu erfüllen.

Viele Profiteure

Über 8 Prozent höhere Rundfunkgebühren freut sich nicht nur der ORF, auch der Finanzminister und 7 von 9 Bundesländern bekommen mehr Körberlgeld. Und das kommt so: Die GIS verrechnete vergangenes Jahr 933,5 Millionen Euro an Rundfunkgebühren. Ein Drittel davon wurden an den ORF als Programmentgelte weitergeleitet. Der Bund erhielt 140,1 Millionen Euro (Steuern, Gebühren, Kunstförderungsbeitrag) und 148,5 Millionen Euro Länderangabe gingen an die Bundesländer – außer Oberösterreich und Vorarlberg, die keine Abgabe einheben. Eine Erhöhung kommt also nicht nur dem ORF, sondern auch Bund und Ländern zugute.

Kundenstamm erweitern

Damit nicht genug: In wenigen Monaten soll eine Novelle des ORF-Gesetz zusätzlich zur Gebührenerhöhung weitere Zahler bringen. Dann wird die Streaminglücke geschlossen und auch jene, die aktuell nur via mobiler Endgeräte ORF-Angebote konsumieren und deshalb keine Rundfunkgebühren bezahlen, werden zur Kasse gebeten. Das sind etwa 145.000 Haushalte – Gebührenbefreiung schon abgezogen – die weitere 4 Millionen Euro bringen werden.

Zum Wohle mit unserer Kohle?

Gerade in Zeiten von Fake News und gezielten Desinformationskampagnen brauchen wir einen ORF, der diesen neuen Informationsherausforderungen Rechnung trägt. Unter anderem deswegen muss sich der ORF, der sich in vielen Bereichen verzettelt und aufgeblasen hat, stärken, sortieren und neu positionieren. Dazu gehört, dass er sich auf seinen Kernauftrag konzentriert, qualitätsvollen Public Value produziert und zur Verfügung stellt und somit auch eine ernstzunehmende Antwort auf den wachsenden Streaming-Markt hat. Mehr Geld allein, ohne konkreten Plan, ist aber keine ernstzunehmende Art an relevante Zukunftsfragen heranzugehen.

Woher nehmen?

Es gibt verschiedene Modelle, wie ein öffentlich-rechtliches Medienhaus finanziert werden kann. In der heimischen Debatte sind drei Modelle relevant: Die Rundfunkgebühren via GIS, die Finanzierung aus dem Budget oder eine Haushaltsabgabe. Die Erfahrungen mit dem türkisen Durchgriff in Redaktionen und ein schneller Seitenblick zu unserem Nachbarn Ungarn genügen, um die Idee der Finanzierung aus dem Budget nicht weiterzuverfolgen. Die GIS-Gebühren wiederum mit ihren Länderabgaben sind nicht mehr zweitgemäß.

Sozial gestaffelte Haushaltsabgabe

Ich möchte eine Neugestaltung der ORF-Finanzierung mittels Haushaltsabgabe und damit das Ende der GIS-Gebühren. So wird die Streaminglücke geschlossen und zugleich sparen die Haushalte – also die Menschen – Geld, weil u.a. die teure GIS-Organisation wegfällt. Die Haushaltsabgabe ist von allen Haushalten und Unternehmen zu leisten und dabei sozial gestaffelt. Überdies muss die Länderabgabe ersatzlos gestrichen werden – Bürgerinnen und Bürger sollen nur für Inhalte mit gesellschaftlichem Mehrwert zahlen, nicht die Landeshauptleute quersubventionieren. Eine ordentliche Bilanz und ein ausführlicher Geschäftsbericht sollten sich außerdem von selbst verstehen.

Smart und digital

Wir brauchen ein innovatives Medienunternehmen, kein veraltetes Rundfunkhaus. Das Vorantreiben der Digitalisierung, der zentrale Newsroom, die Positionierung in der Streaming-Landschaft müssen jetzt auf der Prioritätenliste des ORF ganz oben stehen. Deshalb muss der ORF die Frage beantworten: Wie schafft er eine Transformation seiner gewachsenen Strukturen hin zu einem smarten, digitalen Medienhaus? Dazu gehört, dass tabulos über Prozesse, Rollen und Workflows, Werbebeschränkungen aber auch neue Möglichkeiten nachgedacht wird. Und: An welchen Ecken wird Budget eingespart – und wohin werden die freigewordenen Gelder klug investiert? Vor allem auf die letzte Frage ist die simple Forderung nach mehr Geld keine adäquate Antwort.

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