Die Wiener Zeitung wird von hervorragenden Journalist_innen und Medienmacher_innen gestaltet und produziert, denen es gelungen ist, aus dem Amtsblatt eine Tageszeitung zu machen, die echten Qualitätsjournalismus liefert. Das ist eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht, dass sich die Zeitung zu einem großen Teil durch die die Pflichtveröffentlichungen finanziert – und diese fallen nun dank einer umzusetzenden EU-Richtlinie weg. Das ist gut so. Jeder Euro, den Unternehmerinnen und Unternehmer nicht für das zwangsweise Veröffentlichen ihrer Bilanzen und Jahresabschlüsse ausgeben müssen, ist ein Euro, der in Innovation und Arbeitsplätze fließen kann. Der Wegfall der Haupteinnahmequelle muss jedoch nicht unmittelbar in einer Schließung der Wiener Zeitung münden – vor allem nicht ohne jede Debatte, ohne einen weiteren Gedanken über die Zukunft. Dieser saloppe Umgang wird weder der Tradition des Blattes, noch den Menschen, die dafür arbeiten, in irgendeiner Art und Weise gerecht.
Einen weiteren Gedanken verdient
Es gibt einige Ideen für eine Zukunft der Zeitung, die man debattieren kann – von der Bündelung von Veröffentlichung der Ministerien bis hin zu einer Medienkompetenzstelle als demokratiestabilisierende Maßnahme. Sie alle machen Sinn, führen aber auch dazu, dass die Zeitung weiterhin im Eigentum der Republik ist und somit auch in deren Einflusssphäre. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass die Wiener Zeitung mit Jahresende nicht zugesperrt, sondern weitergeführt wird – jedoch nicht mehr als Zeitung im Eigentum der Republik, sondern als unabhängiges Medienprojekt. So könnte die Wiener Zeitung weiterhin zur ohnehin geringen Medienvielfalt in Österreich beitragen, den Leser_innen Qualitätsjournalismus bieten und Arbeitsplätze erhalten bzw. schaffen.
Unabhängigkeit und degressive Finanzierung
Ob dies in Form einer Genossenschaft geschieht, ähnlich der deutschen Tageszeitung taz oder des Schweizer Onlinemagazins Republik, oder eine gänzlich andere Form gefunden wird, muss ebenso diskutiert werden, wie die Überbrückungsfinanzierung. Möglich wäre beispielsweise eine Finanzierung über fünf Jahre mittels degressiven Modells. Um diese Finanzierung zu erhalten, muss die Wiener Zeitung im Gegenzug für den Bund für diese fünf Jahre ein Projekt umsetzen, etwa – als zeitgemäße Fortführung und Erweiterung des Amtsblatts – die Open Data-Aktivitäten der Regierung gebündelt mit journalistischem Know-how vorantreiben und auf einer Plattform darstellen. Rund um Auftrag.at und ähnliche Services besteht hier im Unternehmen ja bereits Know-how. Nach fünf Jahren soll jedoch das Betreiben der Plattform ausgeschrieben werden, um auch anderen potentiellen Betreiber_innen die Möglichkeit zu geben, ihre Leistungen anzubieten.
Runter mit den Inseraten-Millionen, rauf mit der Presseförderung
Der Wiener Zeitung steht dann – neben den Finanzierungsmöglichkeiten über Leser_innen bzw. Inserent_innen – das Instrument der Presseförderung zur Verfügung. Die Presseförderung möchte ich überdies verzehnfachen, während die Inserate der öffentlichen Hand von derzeit 200 Millionen Euro (im Corona-Jahr 2020 sogar 222 Millionen Euro!) auf ein Zehntel absenken möchte. Somit gäbe es ein solides Budget für Qualitätsmedien, auch für die Wiener Zeitung, und zugleich deutlich weniger Einfluss der Politik über Inserate. Zusperren als einzigen Weg ist definitiv zu wenig, einen zusätzlich Gedanken haben sich Zeitung und Redaktion verdient.