Wir müssen raus aus der Stigmatisierung – den Menstruationsurlaub halte ich allerdings für den falschen Weg.
In einigen Ländern gibt es ihn schon lange: Den Menstruationsurlaub. Bald soll er auch im ersten europäischen Land eingeführt werden. Spanien will Frauen, die unter starken Regelschmerzen leiden, bezahlten Urlaub von bis zu fünf Tagen pro Monat zugestehen. Das liest sich auf den ersten Blick extrem gut und fortschrittlich.
Fakt ist, dass die Periode bei sehr vielen Frauen mit Beschwerden einhergeht. Mehr als ein Drittel aller fruchtbaren Frauen leidet jedes Monat unter starken, krampfhaften Schmerzen. Eine von zehn Frauen ist von Endometriose betroffen, die einen normalen Alltag ein Mal im Monat fast unmöglich macht. Manche nehmen eine Schmerztablette ein und die Sache ist erledigt. Bei anderen wiederum hilft gar nichts. Hier soll der Menstruationsurlaub Frauen künftig die Möglichkeit geben, ohne Ausreden, wie etwa Magen-Darm-Grippe, zu Hause zu bleiben. Überdies sollen die zusätzlichen freien Tage zur Normalisierung und somit zur Entstigmatisierung der Menstruation beitragen. Klingt gut, ist wichtig – und trotzdem halte ich den Menstruationsurlaub nicht für das richtige Instrument. Und das sind Gründe:
Gesetze nicht mit Kampagnen verwechseln
Wir schreiben 2022 und trotzdem schaffen viele – meist Männer – noch keinen entspannten Umgang mit der Periode. Werbeagenturen, die krampfige TV-Spots für Frauenhygieneprodukte konzipieren, übrigens auch nicht. Gut gemachte Kampagnen, die zur Normalisierung von Menstruation beitragen, müssen auch nicht zwingend von Unternehmen gemacht werden. Auch die Frauenministerin könnte sich des Themas annehmen und zur Bewusstseinsbildung beitragen. Gesetze zu schnitzen, um damit Kampagnen zu ersetzen, ist jedoch eine Themenverfehlung.
Menstruation ist weder Urlaub noch Krankheit
Der Begriff “Menstruationsurlaub” suggeriert, dass die Symptome harmlos sind, die Frauen nur tachinieren und sich “in ihrem monatlichen Frauenurlaub” einen Lenz machen. Das führt dazu, dass weniger Wert auf Aufklärung gelegt wird – und zugleich Missgunst unter jenen Kolleg:innen entsteht, die nicht (mehr) menstruieren oder keine monatlichen Beschwerden haben. Auf der anderen Seite gibt es reale Befürchtungen, dass Periodenbeschwerden durch den Urlaubsanspruch normalisiert und daher weniger oft ärztlich untersucht werden. Das sollten sie aber – auch wenn Menstruation keine Krankheit ist.
Leidensweg Endometriose
Hingegen ist die Ursache von Beschwerden oft krankheitsbedingt. Häufig handelt es sich dabei um Endometriose. Das ist eine Krankheit, bei der es zu Ansiedlungen von Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter kommt. Diese versprengten Endometriose-Herde wachsen während des Monatszyklus. Damit verbunden sind – neben vielen anderen Auswirkungen – krampfartige Schmerzen sowie oft chronische Bauch- und Rückenschmerzen, die während der Periode auftreten. Bis Endometriose nachgewiesen ist, haben Frauen oft einen jahrelangen Leidensweg hinter sich. Eine Anfrage, die wir kürzlich an den Gesundheitsminister gestellt haben, ist mehr als ernüchternd beantwortet worden: Daten, Fakten, Forschung zu Endometriose? Fehlanzeige!
Frauen für den Arbeitsmarkt unattraktiv
Frauen bekommen Kinder, gehen in Österreich oft lange in Karenz und arbeiten anschließend häufig Teilzeit. Daraus resultieren nicht nur ökonomische Nachteile, sondern auch berufliche. Die Aussicht, dass eine Frau möglicherweise jedes Monat dann auch noch „auf Menstruationsurlaub“ gehen könnte, würde so manche_r Unternehmer:in wohl als einen weiteren Risikofaktor sehen – was dazu führen könnte, dass Frauen noch weniger für einen Job oder für eine Karriere im Unternehmen vorgesehen werden. Das ist auch der Grund, weshalb Frauen in Ländern, in denen es den Menstruationsurlaub gibt, diesen häufig nicht in Anspruch nehmen.
Krankenstand schon jetzt möglich
Unsere Arbeitswelt ist im Umbruch. Unternehmen werden diverser, hybrides Arbeiten und Homeoffice werden nicht zuletzt aufgrund der Pandemie endlich Normalität. Damit einher geht auch ein anderer Zugang zu Arbeitszeit und Anwesenheit. In Österreich können sich Angestellte jederzeit eine Arbeitsunfähigkeitsbestätigung holen und ohne Angabe von Gründen in den Krankenstand gehen.
Viele Unternehmen gehen sogar noch weiter und verlangen Arztbestätigungen erst ab dem 3. Tag im Krankenstand. Somit sind Angestellte in Österreich schon generell bessergestellt, als in den meisten anderen Ländern. Unser Ziel sollte sein, Menstruation endlich zu entstigmatisieren, leidende Frauen ernst zu nehmen und ihnen mit medizinischer Forschung zu helfen. Menstruationsurlaube würden dazu nicht beitragen. Im Gegenteil.
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